Reformiertes Sexualstrafrecht
19. Juli 2024Am 1. Juli 2024 tritt in der Schweiz ein neues Sexualstrafrecht in Kraft. Eine wesentliche Neuerung ist die Einführung des «Nein-heisst-Nein»-Prinzips, das den bisherigen Fokus auf den Widerstand des Opfers ersetzt. Künftig reicht ein Zeichen der Ablehnung aus, um eine sexuelle Handlung strafbar zu machen.
Ebenso neu ist die Erweiterung der Definition von Vergewaltigung, sowie die Einführung des Tatbestands des sexuellen Übergriffs. Künftig werden sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person auch ohne den Einsatz von Zwang oder Gewalt als Vergewaltigung anerkannt.
Trotz dieser Fortschritte hatten Aktivist*innen das «Ja-heisst-Ja»-Prinzip gefordert, bei dem nur explizite Zustimmung als Grundlage für einvernehmlichen Sex gilt. Die letztlich gewählte Kompromisslösung reflektiert einen Mittelweg zwischen den Forderungen. Denn das neue Gesetz berücksichtigt auch die Schockstarre (Freezing), bei der Opfer aufgrund von Schock nicht in der Lage sind, Widerstand zu leisten oder verbal Nein zu sagen. Diese Anerkennung stellt sicher, dass solche Fälle ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden können.
Agota Lavoyer, erzählt im Interview mit SRF, sie gehe von einer Zunahme der Fälle aus. Als Expertin für sexualisierte Gewalt bleibe sie skeptisch: Die Schweiz habe sich im Umgang mit Sexualdelikten verbessert, aber sie frage sich, ob der politische Wille wirklich vorhanden sei, ausreichend Ressourcen bereitzustellen. Denn mehr Fälle würden auch höhere Kosten für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte bedeuten.
Es gebe Opfer, die auf Polizeiposten negative Erfahrungen machten: «Es komme darauf an, an welche Polizistin man gerate», sagt Lavoyer. Viele Kritiker*innen, darunter Lavoyer, sehen hier ein gesellschaftliches Problem.